Sicher Radeln. Jetzt! Sicher Radeln. Jetzt!
Radentscheid Bayern
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat unser Volksbegehren für unzulässig erklärt
Teilnehmende an der Radsternfahrt 2023 auf der gesperrten Autobahn

Das Urteil ist gefallen - am 07.06.23 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof leider unserem Volksbegehren ein Ende gesetzt.

Die Begründung: Ein paar Artikel in unserem Gesetzentwurf gingen (der Meinung des Gerichts zufolge) über „abschließende“ Regelungen im Straßenverkehrsrecht des Bundes hinaus. Das sei nicht erlaubt. Leider waren das genau die Artikel, mit denen wir die Verkehrssicherheit für Rad- und Fußverkehr erhöhen wollten. Kurz gesagt verhindert also das bundesweite Verkehrsrecht die Verkehrssicherheit zu verbessern.

In unserem Gesetz hatten wir keinerlei neue Verkehrsregeln gefordert, sondern dass bestehende Regeln (z.B. für Tempo 30 vor Schulen oder Freigabe von Einbahnstraßen in Gegenrichtung) an zusätzlichen Stellen gelten sollen. Das Gericht fand das zu weitgehend, weil unser „soll“ ihrer Meinung nach kein „kann“, sondern ein „muss mit Ausnahmen“ darstelle. Zudem wurde nicht berücksichtigt, dass die beanstandeten Regelungen meist einen planerischen Konnex hatten und damit gerade nicht von der Sperrwirkung des Bundesrechts umfasst waren. Auch, dass gleichlautende Formulierungen in den Radgesetzen in Berlin und NRW stehen, für die ja dasselbe Bundesrecht gilt, konnte die bayerischen Richter:innen nicht überzeugen. Man wolle sich zwar nicht anmaßen über die Gesetze anderer Bundesländer zu urteilen, aber aus bayerischer Sicht liege hier trotzdem ein Verstoß gegen die Gesetzgebungskompetenz vor.

Die sehr strenge Auslegung weniger Artikel aus unserem Gesetzentwurf erweckt deshalb bei uns den Eindruck, dass hier Ablehnungsgründe gesucht wurden.

Auch eine teilweise Zulassung komme laut Gericht nicht in Betracht, weil der Gesetzentwurf nicht mehr dem entsprechen würde, was wir den Unterstützeden zur Unterschrift vorgelegt haben, wenn man die reklamierten Artikel streicht. Dabei verkennt das Gericht freilich, dass es in unserem und im Sinne der Unterzeichnenden wäre, das Volksbegehren in jedem Falle zuzulassen.

Zu den Kosten, die zuvor als zu großer Eingriff in den Staatshaushalt kritisiert worden waren, sagt das Urteil hingegen nichts. Vielleicht haben wir hier überzeugend argumentiert, dass das Innenministerium die Summe allein aus dem Ziel den Radverkehrsanteil abgeleitet und zu hoch berechnet hat, weil Fördermittel des Bundes, Ausgaben der Kommunen und bereits beschlossene Investitionen alle dem Staatshaushalt als neue Kosten zugerechnet wurden und zugleich nicht – wie beim Bau von Autostraßen üblich- eine Nutzen-Rechnung dagegen gestellt wurde?

Aber es half nicht: Wie fast alle Volksbegehren, die dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof bisher vorgelegt wurden, wurde auch unser Volksbegehren nicht zugelassen.

Wir respektieren die Entscheidung des Gerichts, kritisieren jedoch, dass die Maßstäbe für Gesetzesentwürfe zu Volksbegehren in Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr hoch angesetzt werden und der unserer Meinung nach akribisch vorbereitete Gesetzentwurf geradezu „seziert“ wurde, um die Unzulässigkeit zu begründen. Selbst Formulierungen, die genauso in den Radgesetzen in NRW und Berlin stehen, fanden in Bayern keine Anerkennung. Unsere Pressemitteilung könnt Ihr hier nachlesen. Auch die  gut 90-seitige Urteilsbegründung kann man online studieren und sich selbst ein Bild machen.

Wir und unsere Kanzlei sind natürlich ziemlich enttäuscht, schließlich haben wir sehr viel Zeit und Mühe in den Gesetzentwurf gesteckt, um alle Vorgaben bestmöglich einzuhalten. Wir fragen uns außerdem, wie Menschen, die keine gute Kanzlei und weniger Ressourcen haben, so überhaupt ein Chance bekommen sollen, direktdemokratische Elemente nutzen, wenn die Vorlage beim Verfassungsgerichtshof trotz akribischer Vorarbeit eigentlich immer das Aus bedeutet.

Um eine möglichst große Wirkung  zu erreichen, hatten wir von Anfang an das Ziel, das Volksbegehren vor der bayrischen Landtagswahl zum Abschluss zu bringen. Einen vorzeitigen Abschluss durch Nichtzulassung haben wir uns natürlich nicht gewünscht.

Trotz allem: Unser aller Erfolg ist, dass die CSU zusammen mit den FW aufgrund des Drucks durch unser Volksbegehren nun einen eigenen Radgesetz-Entwurf in den Landtag eingebracht hat, obwohl sie ein Radgesetz zuvor jahrelang abgelehnt hatte. Allerdings fehlen im Gesetzentwurf der Staatsregierung u.a. Artikel zur Stärkung des Verkehrssicherheit, das stetige Mitdenken des Radverkehrs bei Straßenneubau und -sanierung und die Priorisierung des Umweltverbunds. Auch Zuständigkeiten, Verfahren und Standards bleiben unklar, was regelmäßig viel Zeit kostet. Die jetzigen Zielvorgabe 1500 km neue Radwege bis 2030 bedeutet im Durchschnitt gerade mal 91 m pro Jahr und Kommune. Und was kommt dann nach 2030? In diesem Tempo wird niemand von uns ein Alltagradwegenetz in Bayern mehr erleben.
Schließlich fordern wir schon seit Bekanntwerden des Entwurfes, dass sich die Verantwortlichen mit uns an einen Tisch setzen, damit aus dem Radgesetzentwurf der Staatsregierung ein wirksames Gesetz wird. Bisdato wird uns jede Mitsprache oder Beratung verwehrt. (unsere Pressemitteilung zum Gesetz von CSU/FW).

Danke an euch alle!

Wir danken allen, die am 7. Juni mit uns gefiebert haben. Zusammen mit etwa 35 Unterstützer:innen im Gerichtssaal  haben wir ein starkes Zeichen gesetzt!

Wir danken auch unserer Anwaltskanzlei, die uns durchweg hervorragend beraten hat. Wir haben auf eine maximal sichere Variante gesetzt und dabei bereits auf vieles verzichtet, das uns auch wichtig gewesen wäre. Letztendlich ist Juristerei keine Mathematik und Auslegungssache und einige Artikel wurden anders ausgelegt als von uns intendiert.

Wie geht es jetzt weiter?

Für Volksbegehren in Bayern gibt es keine Möglichkeit Rechtsmittel einzulegen. Durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ist unser Volksbegehren somit leider endgültig gestoppt worden. Als Bündnis Radentscheid Bayern machen wir uns natürlich weiter stark für ein wirklich gutes Radgesetz in Bayern. Aus dem Urteil nehmen wir auch unsere nächste Aufgabe mit. Die Straßenverkehrsordnung und das Straßenverkehrsrecht müssen modernisiert werden, da immer noch die Flüssigkeit und Leichtigkeit des Autoverkehrs priorisiert werden und der Umweltverbund inkl. Radverkehr das Nachsehen hat. Dazu hat auch der ADFC Bundesverband gerade die Kampagne „RADvolution“ gestartet, die wir auch unterstützen. Bleibt auch weiter informiert und werdet aktiv, denn wir wollen: „Sicher Radeln. Jetzt erst recht!“. Wenn ihr das jetzt auch denkt, engagiert euch für besseren Radverkehr bei unseren Bündnispartnern und meldet euch bei unseren kommunalen Ansprechpartner:innen.

Rückblick auf 1 Jahr Radentscheid Bayern

Ziemlich genau vor einem Jahr, am 3. Juni 2022 haben wir den Startschuss zu unserem Volksbegehren gegeben. Seitdem ist viel passiert und wir haben vieles erreicht. Für den Zulassungsantrag haben wir über 100.000 Unterschriften gesammelt, und damit viermal mehr als notwendig. In allen bayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten haben sich lokale Teams gebildet, die aktivunser Volksbegehren unterstützen. Über 400 Komunalpolitiker:innen haben sich öffentlich zu unserem Radgesetz bekannt. Aber auch viele Testimonials wie Katja Diehl, Claus von Wagner, Musiker der Band J.B.O., oder Centa Weith, die mit über 100 Jahren immer noch mit ihrem Rad unterwegs ist, haben sich als Fans vom Radentscheid geoutet. Sehr überrascht sind wir von unseren Unterstützer:innen im ländlichen Raum, wo unser Volksbegehren offenbar den Nagel auf den Kopf getroffen hat und die Lösung für viele Alltagsprobleme von Radfahrenden bietet. Wir danken Euch Aktiven und Unterschriftensammler:innen dass ihr immer wieder unser Volksbegehren vorangetrieben und den Radentscheid Bayern sichtbar gemacht habt. Großen Applaus an Euch – denn ohne euch gäbe es diese Erfolge nicht!
Teilt auch unser Video auf Social Media!

Was kommt als Nächstes?

Wir lassen nicht nach und werden weitermachen, bis es ein gutes Radgesetz gibt und werden gerade bis zur Landtagswahl weiter als Radentscheid Bayern Aktivitäten planen - bayernweit sowie auch lokal.

17. Juni - Tag der Verkehrssicherheit

Wir werden auf den weltweiten Tag der Verkehrssicherheit auf Social-Media aufmerksam machen. Gerade für Kinder, wie die 10-jährige Leonie, ist Verkehrssicherheit sehr relevant. Unterstützt uns auf Social Media und teilt unseren Kampagnenfilm weiter!

18. Juni - Sternfahrt im Allgäu

Macht mit uns wieder die Sternfahrt groß und blau und radelt mit. Am Sonntag, 18.06.2023 um 11 Uhr lädt das lokale Bündnis ein zur Kundgebung auf dem Türkheimer Rathausvorplatz. Alle Startzeiten aus Buchloe, Wiedergeltingen, Bad Wörishofen, Kaufbeuren uvm. findet ihr online.

 

Mit löwenstarken Grüßen

Euer Team vom Radentscheid

Bernadette, Andreas, Paulus, Eva, Ingolf und Ines

 

P.S. Unterschreibt auch gerne das Volksbegehren „Vote16“ bis ca. 10.07., damit 16- und 17-jährige in Zukunft auch wählen können. Unser Volksbegehren haben wir auch besonders für Kinder und Jugendliche gemacht, doch diese können nicht mitbestimmen. Außerdem werden politische Themen rund um Kinder, Jugendliche und Zukunft relevanter, wenn sich die Kräfteverhältnisse etwas Richtung Jugend verschieben.

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