Rede­bei­trä­ge auf der Auftaktpressekonferenz

Veröffentlicht am 5. Juni 2022

Mün­chen, 2. Juni 2022

Rede­bei­trä­ge auf der Auftaktpressekonferenz

Radentscheid Bayern Logo

Es gilt das gespro­che­ne Wort! Eine Zusätz­li­che Pres­se­mit­tei­lung aller Bünd­nis­part­ner fin­den Sie hier.
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Ber­na­dette, Felsch
(Beauf­trag­te des Volks­be­geh­rens Radent­scheid Bay­ern und Vor­sit­zen­de des ADFC Bay­ern)
:

Die Staats­re­gie­rung nennt Bay­ern schon seit Lan­gem ger­ne Radl­land, doch in Wahr­heit fühlt man sich auf dem Radl in Bay­ern sel­ten wirk­lich wohl und sicher:

Rad­we­ge und Abstell­an­la­gen feh­len oder sind häu­fig so dürf­tig und unsi­cher, dass sie nicht zum Rad­fah­ren ein­la­den.
An über der Hälf­te der Staats- und Bun­des­stra­ßen fehlt hier­zu­lan­de ein Rad­weg.
Auf dem Land hat man also meist ledig­lich die Wahl zwi­schen holp­ri­gen Feld­we­gen oder gefähr­li­chem Radeln auf der Land­stra­ße, wo man mit sehr hohen Geschwin­dig­kei­ten und wenig Abstand von schwe­ren Kfz über­holt wird.
Rad­mit­nah­me in Bus und Bahn ist teu­er, nicht garan­tiert oder meist gar nicht erst mög­lich.

Zudem ist jedem Land­kreis, jeder Stadt und jeder Gemein­de selbst über­las­sen, ob und wie sie den Rad­ver­kehr stärkt. Es hängt also v.a. vom poli­ti­schen Wil­len, der Kas­sen­la­ge und Per­so­nal­aus­stat­tung ab, ob und was in einer Kom­mu­ne für den Rad­ver­kehr getan wird – oder eben nicht. Das Ergeb­nis ist ein Flick­werk unter­schied­lichs­ter oft unge­nü­gen­der und häu­fig zuge­park­ter Rad­we­ge.
Dort möch­te man weder sein Kind noch sei­ne Oma radeln las­sen!
Aber auch Erwach­se­ne füh­len sich auf dem Rad nicht als gleich­wer­ti­ge Ver­kehrs­teil­neh­men­de respek­tiert und sie sind bedingt durch Infra­struk­tur- und Pla­nungs­män­gel sowie Sicht­be­hin­de­run­gen über­durch­schnitt­lich gefährdet.

Zugleich zeigt ein Blick in die Nie­der­lan­de und in Städ­te wie Kopen­ha­gen,  Bar­ce­lo­na oder Paris, dass sich nicht nur die Sicher­heit, son­dern auch das Mit­ein­an­der im Ver­kehr durch­aus ver­bes­sern, wenn die schwä­che­ren Ver­kehrs­teil­neh­men­den und ihre Bedürf­nis­se respek­tiert wer­den.
Da wol­len wir auch in Bay­ern hin!
Nach eige­nem Bekun­den anschei­nend auch die Staats­re­gie­rung, die 2017 das Ziel aus­ge­ge­ben hat, den bay­ern­wei­ten Rad­ver­kehrs­an­teil bis 2025 auf 20% zu ver­dop­peln. Ange­sichts der sich nur im Schne­cken­tem­po ändern­den Rah­men­be­din­gun­gen ist es aber kein Wun­der, dass die­ses Ziel abso­lut uto­pisch erscheint: Gera­de mal + 1 Pro­zent­punkt ist die mage­re Bilanz der letz­ten 5 Jahre!

In so vie­len Städ­ten wie in kei­nem ande­ren Bun­des­land haben sich des­halb in den letz­ten Jah­ren kom­mu­na­le Radent­schei­de gegrün­det. Sie haben über 240.000 Unter­schrif­ten für bes­se­re Rad­ver­kehrs­be­din­gun­gen gesam­melt.
Fast alle wur­den zum aller­größ­ten Teil oder sogar zu 100% vom jewei­li­gen Stadt­rat übernommen.

Bei der Umset­zung der kom­mu­na­len Radent­schei­de hat sich jedoch durch­gän­gig bestä­tigt, dass Res­sour­cen feh­len.
Und auch dort wo Res­sour­cen nicht so knapp sind, geht viel zu viel Zeit und Geld für auf­wen­di­ge Mach­bar­keits­stu­di­en, Planfeststellungs‑, Pla­nungs- und Betei­li­gungs­ver­fah­ren oder wegen Dis­kus­sio­nen über Stan­dards ver­lo­ren.

Kurz: es gibt zwar immer mehr Papier und Wil­lens­be­kun­dun­gen oder sogar Stadt­rats­be­schlüs­se, aber in der Rea­li­tät ver­bes­sert sich die Situa­ti­on im all­täg­li­chen Rad­ver­kehr kaum und der Frust in der Radent­scheid­be­we­gung und unter den Rad­fah­ren­den ist sehr groß

Wir vom ADFC Bay­ern for­dern bereits seit 2018 ein Rad­ge­setz für Bay­ern, das neben Zie­len u.a. auch Zustän­dig­kei­ten, Res­sour­cen und Stan­dards für die kon­kre­te und zügi­ge Umset­zung der rad­po­li­ti­schen Agen­da regeln soll, so wie das in Ber­lin und NRW bereits der Fall ist.
Zudem erwar­ten wir vom Frei­staat ein kla­res Bekennt­nis, dass ein zügi­ger Aus­bau der Infra­struk­tur für das kli­ma­freund­lichs­te Fahr­zeug der Welt gewünscht ist und unter­stützt wird.

Im letz­ten Land­tags­wahl­kampf haben wir unse­re Rad­ge­setz For­de­rung allen damals im Land­tag ver­tre­te­nen Par­tei­en vor­ge­stellt.
Außer der CSU haben alle unse­re For­de­rung befür­wor­tet.
SPD und Grü­ne haben die For­de­rung für ein Rad­ge­setz sogar in ihre Wahl­pro­gram­me auf­ge­nom­men und sie haben im letz­ten Herbst auch wirk­lich gelie­fert und Rad­ge­setz­ent­wür­fe vor­ge­legt.
Lei­der wur­den die­se jedoch von den ande­ren Par­tei­en im Land­tag im März 2022 final abgelehnt.

Dar­auf­hin ist der Druck aus der Radent­scheid-Bewe­gung groß gewor­den, unse­re vor­be­halt­li­che Ankün­di­gung, not­falls auch ein Volks­be­geh­ren zu star­ten, wahr wer­den zu las­sen. Hier­für haben wir nun ein star­kes Bünd­nis geschmiedet.

Weil ein Volks­be­geh­ren in Bay­ern nur zu einem Gesetz mög­lich ist und weil man einen volks­be­geh­ren­staug­li­chen Gesetz­ent­wurf vor­le­gen muss, hat unse­re Bünd­nis einen Rad­ge­setz-Ent­wurf erar­bei­ten las­sen.
Die­ser ent­hält Ele­men­te aus den Gesetz­ent­wür­fen der Grü­nen und der SPD und aus bereits bestehen­den Rad­ge­set­zen und Ent­wür­fen in ande­ren Bun­des­län­dern.
Unser Gesetz­ent­wurf ist zudem so for­mu­liert, dass es kei­nen Grund geben soll­te, das Volks­be­geh­ren nicht zuzu­las­sen. Wir haben das Finanz­ta­bu und Kop­pe­lungs­ver­bot strikt beach­tet, auch wenn wir dafür schwe­ren Her­zens auf so man­che For­de­rung ver­zich­ten mussten. 

Heu­te, einen Tag vor dem inter­na­tio­na­len Welt­fahr­rad­tag, ste­hen wir also gemein­sam mit den Bünd­nis­part­nern vor Ihnen und in 2 Wochen wer­den wir begin­nen, Unter­schrif­ten für die Zulas­sung zu sammeln.

Die Bünd­nis­part­ner und unse­re Kern­for­de­run­gen wird nun unser stell­ver­tre­ten­der Beauf­trag­ter Andre­as Kager­mei­er vor­stel­len. Und unser Len­kungs­kreis­kol­le­ge Pau­lus Guter, der einer der Ver­tre­ter der kom­mu­na­len Radent­schei­de ist, wird Ihnen dann noch eini­ge Details zum Radent­scheid Bay­ern erläutern.

Prof. Dr. Andre­as Kager­mei­er
(stell­ver­tre­ten­der Beauf­trag­ter des Volks­be­geh­rens Radent­scheid Bay­ern und Vor­stands­mit­glied des VCD Bay­ern)
:

Das Bünd­nis Radent­scheid Bay­ern hat sich durch eine Initia­ti­ve aus den 11 kom­mu­na­len baye­ri­schen Radent­schei­den (Augs­burg, Bam­berg, Bay­reuth, Erlan­gen, Frei­sing, Mün­chen, Nürn­berg, Neu-Ulm, Regens­burg, Rosen­heim und Würz­burg) zusam­men mit dem All­ge­mei­nen Deut­schen Fahr­rad­Club (ADFC) Bay­ern) und dem baye­ri­schen Lan­des­ver­band des Ver­kehrs­Club Deutsch­land (VCD) gegründet.

Unter­stützt wird der Radent­scheid Bay­ern vom BUND Natur­schutz (BN) und fünf baye­ri­schen Lan­des­ver­bän­den poli­ti­scher Par­tei­en (Bünd­nis 90/Die Grü­nen, SPD, ÖDP, DIE LIN­KE, Volt).

Mit 11 Initia­ti­ven, 3 Ver­bän­den und 5 Par­tei­en hat sich ein star­kes und breit in der Gesell­schaft ver­an­ker­tes Bünd­nis jen­seits der Regie­rungs­mehr­heit im Land­tag for­miert, das einen Auf­bruch hin zu einer kon­sis­ten­ten, sys­te­ma­ti­schen und kon­kre­ten Rad­ver­kehrs­po­li­tik reklamiert.

Die For­de­rung nach einer „Rad­ver­kehrs­för­de­rung mit Sys­tem“ resul­tiert einer­seits aus der von Ber­na­dette Felsch bereits geschil­der­ten Defi­zit­ana­ly­se aus Sicht der Radfahrer:innen. 

Ande­rer­seits haben wir in den loka­len Radent­schei­den – mit Blick auf die “Pro­duk­ti­on” von Rad­ver­kehrs­in­fra­struk­tur – immer wie­der fest­stel­len müs­sen, dass durch­gän­gi­ge Rad­rou­ten oft­mals dar­an schei­tern, dass unter­schied­li­che Bau­last­trä­ger (Kom­mu­nen, Krei­se, Land) ent­lang einer Rad­ver­kehrs­ver­bin­dung invol­viert sind. 

Das klas­si­sche Stöh­nen von Radfahrer:innen: „War­um hört der Fahr­rad­weg hier ein­fach auf“, wenn sie am Ende der geschlos­se­nen Ort­schaft Radfahrer:innen plötz­lich wie­der auf die Kfz-Fahr­bahn ver­wie­sen wer­den, resul­tiert aus unter­schied­li­chen Zuständigkeiten. 

Stel­len Sie sich vor: auf der A9 wür­de an der Gemein­de­gren­ze zwi­schen Gar­ching und Neu­fahrn die 8‑spurige Auto­bahn plötz­lich auf­hö­ren und der moto­ri­sier­te Ver­kehr auf einen Feld­weg gelenkt: UNDENK­BAR für die Kfz, aber eben all­zu häu­fig trau­ri­ge Rea­li­tät für Radfahrer:innen.
Die Aus­ge­stal­tung der Wege hin­sicht­lich Brei­te, Belag oder Füh­rung über Kreu­zun­gen folgt oft­mals mehr dem indi­vi­du­el­len Gus­to der Planer:innen als eine strin­gen­ten Kon­zept – auch weil in Bay­ern die bun­des­wei­ten Emp­feh­lun­gen für die Anla­ge von Rad­ver­kehrs­an­la­gen [ERA] nicht ver­bind­lich sind.

Klei­ne­re Kom­mu­nen fin­den oft­mals kei­ne ange­mes­se­ne Unter­stüt­zung bei der Pla­nung und Tras­sie­rung von Rad­we­gen. Stel­len Sie sich vor, für die umstrit­te­ne A94 durch das Isen­tal hät­te der Grund­er­werb ent­lang der Stre­cke in jeder Kom­mu­ne von den jewei­li­gen Bür­ger­meis­tern getä­tigt wer­den müs­sen. Über den Spa­ten­stich wäre die­se Auto­bahn sicher­lich noch nicht hin­aus gekom­men. Aber bei Rad­we­gen ent­lang von Kreis- und Staats­stra­ßen ist das Rea­li­tät in Bay­ern. Auch wenn sich die Lis­te der Pro­blem­punk­te auf der Ange­bots­sei­te noch fast belie­big ver­län­gern lie­ße, sol­len Sie an die­ser Stel­le nur als Beleg dafür die­nen , dass es aller­höchs­te Zeit ist für eine bay­ern­wei­te koor­di­nier­te, sub­stan­ti­el­le und dau­er­haf­te Berück­sich­ti­gung des Fahr­ra­des als All­tags­ver­kehrs­mit­tel – gera­de auch bei über­ört­li­chen Ver­bin­dun­gen, die mit Pedelecs ja inzwi­schen für vie­le bewäl­tig­bar sind.

Wenn Ver­kehrs­mi­nis­ter Bern­rei­ter am 25. Mai 2022 stolz ver­kün­den lässt, dass die sog. Rad­of­fen­si­ve sei­nes Minis­te­ri­ums 27 Pro­jek­te mit 10 Mil­lio­nen för­dert, dann ist das nicht mehr als ein Trop­fen auf den hei­ßen Stein. Mit gut 300.000 € Zuschuss pro Pro­jekt lässt sich kei­ne Brü­cke und kaum ein­mal ein Kreu­zungs­um­bau finan­zie­ren. Zudem wer­den sol­che Mit­tel häu­fig im Wind­hund­ver­fah­ren mit extrem kur­zen Bewer­bungs­fris­ten von weni­gen Wochen aus­ge­schrie­ben. Das sind mehr Beru­hi­gungs­pflas­ter und Sym­bol­po­li­tik, aber kei­ne belast­ba­re Unter­stüt­zung des Rad­ver­kehrs­in­fra­struk­tur­aus­baus in den Kom­mu­nen. Auch dass für das baye­ri­sche Rad­rou­ten­netz nur ein Sach­be­ar­bei­ter im Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um zustän­dig ist, kann eigent­lich nur als Trep­pen­witz ange­se­hen werden.

Die­se insuf­fi­zi­en­ten Ver­hält­nis­se  zu ver­än­dern, Rad­ver­kehrs­an­ge­bo­te aus einem Guss – auch über Gemein­de­gren­zen hin­weg – zu errei­chen und eine durch­gän­gi­ge Berück­sich­ti­gung von Radfahrer:innen als gleich­be­rech­tig­te Verkehrsteilnehmer:innen auf der kom­mu­na­len, der Kreis- und der Lan­des­ebe­ne ist das Anlie­gen des Geset­zes­ent­wurfs für ein Baye­ri­sches Rad­ge­setz, zu dem wir heu­te das Start­si­gnal für einen Antrag auf Zulas­sung eines Volks­be­geh­rens starten.

Aller­dings muss­ten wir bei unse­rem Geset­zes­ent­wurf vie­le Berei­che aus­klam­mern, die eigent­lich wich­tig wären. Die Vor­ga­ben für Volks­be­geh­ren im Lan­des­wahl­ge­setz set­zen mög­li­chen Inhal­ten sehr enge Schran­ken. So dür­fen in Volks­be­geh­ren kei­ne Aspek­te mit sub­stan­ti­el­ler Haus­halts­re­le­vanz ent­hal­ten sein. Auch gilt das Kop­pe­lungs­ver­bot, d. h. Volks­be­geh­ren dür­fen sich inhalt­lich nicht auf meh­re­re Geset­ze gleich­zei­tig bezie­hen. Damit ver­bun­den ist, dass eben vie­le Berei­che, die direkt haus­halts­re­le­vant wür­den nicht ent­hal­ten sein kön­nen. Trotz der engen Schran­ken der baye­ri­schen Vor­ga­ben kön­nen wir aber einen Gesetz­ent­wurf zur Samm­lung von Unterstützer:innen-Unterschriften vor­le­gen, der u.a. Fol­gen­de  6 zen­tra­le Zie­le verfolgt:

  1. Der Rad­ver­kehrs­an­teil am Gesamt­ver­kehrs­auf­kom­men in Bay­ern soll bis 2030 von 10 auf 25 % erhöht wer­den. Damit dies mehr als eine wohl­fei­le Sonn­tags­re­den­for­de­rung wird, ist eine umfas­sen­de ange­bots­ori­en­tier­te Rad­ver­kehrs­för­de­rung notwendig.
  2. Zur Errei­chung des ers­ten Ziels ist der Sanie­rungs­stau bei Rad- und Fuß­ver­kehrs­in­fra­struk­tur auf­zu­lö­sen. Ein­mal gebau­te Rad­we­ge müs­sen kon­ti­nu­ier­lich unter­hal­ten und auch dem Rad­ver­kehrs­auf­kom­men, bzw. sich ver­än­dern­den bun­des­wei­ten Qua­li­täts­vor­ga­ben ange­passt wer­den … auch wie­der ein Punkt der für Auto­bah­nen selbst­ver­ständ­lich ist, aber bei Rad­we­gen oft­mals ver­nach­läs­sigt wird.
    Beim Neu­bau von Rad­ver­kehrs­in­fra­struk­tur darf kein Stück­werk ent­ste­hen, son­dern es sind immer die gesam­ten Ver­bin­dun­gen für akti­ons­räum­li­che Ori­en­tie­run­gen zu berück­sich­ti­gen. Dabei sind siche­re und kom­for­ta­ble Ver­bin­dun­gen zu schaf­fen. Rad­fah­ren darf kein Hin­der­nis­par­cours sein, son­dern es muss bequem und intui­tiv ablau­fen kön­nen. Bei der Tras­sie­rung, den Quer­schnit­ten und auch bei Abstell­mög­lich­kei­ten sind die Bedürf­nis­se von Las­ten- und Spe­zi­al­fahr­rä­dern zu berücksichtigen.
  3. Visi­on Zero: Der Frei­staat soll kon­se­quent das Ziel ver­fol­gen, dass sich in Bay­ern kei­ne Ver­kehrs­un­fäl­le mit schwe­ren Per­so­nen­schä­den oder Todes­fol­gen mehr ereig­nen (Visi­on Zero). Hier­für ist eine feh­ler­ver­zei­hen­de Infra­struk­tur sowie mehr geschütz­ter Raum für den Fuß- und Rad­ver­kehr uner­läss­lich. 
    Der Schutz von schwä­che­ren Verkehrsteilnehmer:innen, ins­be­son­de­re auch von Kin­dern und Senior:innen, muss  obers­te Prio­ri­tät haben – z. B. durch Tem­po­be­schrän­kun­gen und eine klar vom Kfz-Ver­kehr getrenn­te Fuß- und Rad­weg­füh­rung.
    § 1 der Stra­ßen­ver­kehrs­ord­nung (StVO) for­dert, dass der Ver­kehr durch stän­di­ge Vor­sicht, gegen­sei­ti­ge Rück­sicht­nah­me und Respekt aller Verkehrsteilnehmer:innen geprägt sein soll. Wir wol­len, dass ein gutes Mit­ein­an­der im Stra­ßen­ver­kehr in Bay­ern auch Rea­li­tät wird.
    Hier­für müs­sen die zustän­di­gen Behör­den zum Schutz der schwä­che­ren Verkehrsteilnehmer:innen ver­stärkt kon­trol­lie­ren und Ord­nungs­wid­rig­kei­ten, wie z. B. gefähr­den­des Par­ken auf Geh- und Rad­we­gen oder absicht­li­che Nöti­gung auch sanktionieren.
  4. Auch die Kom­bi­na­ti­on des Fahr­rad mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln ist durch ent­spre­chen­de siche­re und wit­te­rungs­ge­schütz­te Abstell­mög­lich­kei­ten – nicht nur an den Bahn­hö­fen, son­dern auch an Regio­nal­bus­hal­te­stel­len – zu beför­dern. Glei­ches gilt für die Fahr­rad­mit­nah­me – ins­be­son­de­re im SPNV.
  5. Wäh­rend ande­re Bun­des­län­der wie Nord­rhein-West­fa­len, Hes­sen und Baden-Würt­tem­berg nach dem Vor­bild der Nie­der­lan­de schon die ers­ten Abschnit­te von Rad­schnell­we­gen als inter­kom­mu­na­le Ver­bin­dun­gen für Pend­ler – ins­be­son­de­re in Metro­pol­re­gio­nen – umge­setzt haben, wer­den sol­che Rou­ten in den Metro­pol­re­gio­nen Mün­chen und Nürn­berg auf der lan­gen Pla­nungs­bank zwi­schen unter­schied­lichs­ten Zustän­dig­kei­ten und Finan­zie­rungs­pro­blem hin und her gescho­ben. Hier braucht es eine ein­heit­li­che ziel- und umset­zungs­ori­en­tier­te Vor­ge­hens­wei­se jen­seits von par­ti­ku­la­ren Zustän­dig­kei­ten und Finanzierungsmöglichkeiten.
  6. Bei all dem schwebt uns bei­lei­be nicht immer eine Asphal­tie­rungs­or­gie für Rad­we­ge vor. Bei Neu­bau, Umbau, Aus­bau und Sanie­rung von Stra­ßen und Rad­we­gen ist dar­auf zu ach­ten, dass mög­lichst wenig Flä­che in Anspruch genom­men wird und die­se mög­lichst wenig ver­sie­gelt wird. Zugleich müs­sen Rad­we­ge ganz­jäh­rig sicher und kom­for­ta­bel befahr­bar sein. Oft­mals las­sen sich Rad­fahr­strei­fen (teil­wei­se als geschütz­te Rad­fahr­strei­fen mit ent­spre­chen­den Pro­tek­ti­ons­ele­men­ten) auf bestehen­den Ver­kehrs­flä­chen schaf­fen. Auch Tem­po­be­gren­zun­gen oder die Ver­än­de­rung der Prio­ri­sie­rung (z. B. durch die Aus­wei­sung als Fahr­rad­stra­ßen) kön­nen Rad­fah­ren siche­rer machen, ohne dass zusätz­li­che Flä­che ver­sie­gelt wer­den müsste.

Als Bünd­nis haben wir uns ein star­kes Logo gege­ben, das den Wil­len zur Durch­set­zung die­ser Zie­le sym­bo­li­sie­ren soll: Das für die Radent­scheid­be­we­gung bekann­te Lauf­rad in Kom­bi­na­ti­on mit dem baye­ri­schen Sym­bol des Löwens. Der Löwe steht hier­bei für den Kampf­geist der Radent­scheid­be­we­gung, für Ruhe, Weit­sicht und für Visi­on. Für unse­re Visi­on von einem kli­ma­freund­li­chen, gesund­heits­för­dern­den, siche­ren und gerech­ten Mobi­li­täts­sys­tem. Gemein­sam sind wir stark wie ein Löwenrudel.

Pau­lus Guter
(Pro­jekt­ko­or­di­na­tor Radent­scheid Bay­ern und Ver­tre­ter der baye­ri­schen Radent­schei­de)
:

Die För­de­rung des Rad­ver­kehrs im städ­ti­schen wie regio­na­len Bereich hat eine enor­me Bedeu­tung für eine ech­te Ver­kehrs­wen­de. Mit einer ech­ten Ver­kehrs­wen­de mei­nen wir nicht das, was die aktu­el­le Staats­re­gie­rung als Ver­kehrs­wen­de ver­kauft. Wir wol­len eine ech­te Ver­kehrs­wen­de, die alle Men­schen berück­sich­tigt, die gerecht ist, die die Gesund­heit för­dert, platz­spa­rend ist und die Maxi­mie­rung des Gemein­wohls im Fokus hat.

Wäh­rend – wie eine Stu­die[1] von Prof. Dr. Ste­fan Göss­ling von der Uni­ver­si­tät Lund aus dem Jahr 2018 zeigt – Rad­fah­ren­de mit jedem gefah­re­nen Kilo­me­ter einen volks­wirt­schaft­li­chen Gewinn von 30,5 Cent erzeugt, kos­tet jeder Kilo­me­ter mit einem Kfz die Volks­wirt­schaft 26,9 Cent. Laut einer Stu­die[2] von Prof. Cars­ten Som­mer von der Uni­ver­si­tät Kas­sel kos­tet der PKW-Ver­kehr Kom­mu­nen etwa drei­mal so viel wie der ÖPNV. Und über letz­te­res wur­de zuletzt durch das 9€-Ticket viel dis­ku­tiert. Wenn schon nicht die exter­nen Kos­ten in unse­rem Ver­kehrs­sys­tem inter­na­li­siert und bepreist wer­den, so muss erst Recht der Umwelt­ver­bund, also ÖPNV, Rad- und Fuß­ver­kehr sys­te­ma­tisch und dau­er­haft geför­dert werden. 

Wäh­rend in allen Sek­to­ren die CO2-Emis­sio­nen die letz­ten Jah­re zumin­dest ein wenig gesun­ken sind, sta­gnie­ren die Emis­sio­nen im Bereich des Ver­kehrs. Selbst gesetz­te Zie­le von Bun­des- und Lan­des­re­gie­run­gen wer­den kra­chend ver­fehlt. Der Ver­kehrs­sek­tor hat im Jahr 2021[3] deutsch­land­weit drei Mil­lio­nen Ton­nen CO2 zu viel emit­tiert – und das sind nur die eige­nen viel zu gerin­gen Zie­le der Bun­des­re­gie­rung. Im Frei­staat[4] betra­gen die ver­kehrs­be­ding­ten CO2-Emis­sio­nen 34 Mil­lio­nen Ton­nen pro Jahr, das sind 42 Pro­zent der Emis­sio­nen in Bayern.

Eine Ver­öf­fent­li­chung[5] des Umwelt­bun­des­am­tes zeigt, dass bis zu 30% der Pkw-Fahr­ten auf den Rad­ver­kehr ver­la­gert wer­den kön­nen. Zudem ist täg­li­ches Fahr­rad­fah­ren gesund. In einer Gesell­schaft, in der Über­ge­wicht, Blut­hoch­druck, Herz-Kreis­lauf­erkran­kun­gen oder Dia­be­tes Volks­krank­hei­ten sind, kann eine mode­ra­te kör­per­li­che Akti­vi­tät von 30 Minu­ten das Risi­ko die­ser Erkran­kun­gen erheb­lich ver­rin­gern. Ver­meint­li­che Nach­tei­le wie z. B. das höhe­re Unfall­ri­si­ko oder die Ein­at­mung von Fein­staub oder Schad­stof­fen, wer­den von den Vor­tei­len für die Gesund­heit um ein Viel­fa­ches über­trof­fen, das zei­gen Ergeb­nis­se der Uni­ver­si­tät Utrecht.

Zudem wer­den aktu­ell in Bay­ern täg­lich fast 12 Hekt­ar Flä­che[6] ver­braucht, das etwa 17 Fuß­ball­fel­dern ent­spricht. Mit einer kon­se­quen­ten För­de­rung des Rad­ver­kehrs lie­ßen sich mas­siv der Flä­chen­ver­brauch im Ver­kehrs­be­reich ein­spa­ren, da weni­ger Stra­ßen gebaut wer­den müs­sen. Dies benö­tigt aber siche­re, direk­te und beque­me Radwegeverbindungen.

Die CO2-Emis­sio­nen, der Lärm, der Fein­staub, die Ver­schmut­zung der Öko­sys­te­me sowie gesund­heit­li­che Schä­den müss­ten bepreist wer­den und dann wür­den wir sehen, dass das Fahr­rad das bes­te Ver­kehrs­mit­tel ist und bes­tens geeig­net auf all­täg­li­chen und kur­zen Stre­cken. All die­se Fak­ten spre­chen dafür, dass das Fahr­rad als Ver­kehrs­mit­tel geför­dert und in den Fokus gerückt wer­den muss.

Und die Men­schen, die skep­tisch sind, möch­te ich fra­gen: Hät­tet ihr euch 2010 vor­stel­len kön­nen, dass es eini­ge Jah­re spä­ter das Nor­mals­te in der Welt ist, dass man in Knei­pen und Restau­rants nicht mehr rau­chen darf?

Das waren jetzt die Fak­ten und For­de­run­gen, doch wie geht es weiter?

Am 16.06. star­ten wir mit der Unter­schrif­ten­samm­lung bay­ern­weit. Beson­ders im Fokus steht die Unter­schrif­ten­samm­lung auf dem über­re­gio­nal bekann­ten Toll­wood Fes­ti­val. In vie­len Städ­ten und Gemein­den wer­den sich die nächs­ten Wochen erst noch Sam­mel­teams und loka­le Bünd­nis­se aus den bay­ern­wei­ten Bünd­nis­part­nern grün­den, wäh­rend in den elf Radent­scheid-Städ­ten schnel­ler gestar­tet wer­den kann. Zudem sind bay­ern­weit Sam­mel­stel­len im Auf­bau, die auf der Web­sei­te ein­ge­ge­ben und nach­ge­se­hen wer­den kön­nen. In der ers­ten Run­de wol­len wir 35.000 Unter­schrif­ten in ganz Bay­ern sammeln.

Doch dabei gibt es eini­ges zu beachten

  • Unter­schrei­ben darf man nur auf den offi­zi­el­len Unter­schrif­ten­bö­gen, die beim bay­ern­wei­ten Koor­di­na­ti­ons­team bestellt wer­den kön­nen, das ist eine gesetz­li­che Vorgabe.
  • Nur Per­so­nen aus der­sel­ben Gemein­de soll­ten auf dem­sel­ben Unter­schrif­ten­bo­gen unter­schrei­ben, denn die Unter­schrif­ten wer­den auf Gemein­de­ebe­ne geprüft
  • Wer in der ers­ten Run­de beim Zulas­sungs­an­trag unter­schreibt, hat noch nicht vor­ge­sorgt für das ech­te Volks­be­geh­ren, der 14-tägi­gen Ein­tra­gungs­frist im Rat­haus. Dort muss ein zwei­tes Mal unter­schrie­ben werden
  • Wir las­sen jede Per­son mit Haupt­wohn­sitz in Bay­ern unter­schrei­ben und selek­tie­ren nicht nach ver­meint­li­cher Wahlberechtigung

Neben der Unter­schrif­ten­ab­ga­be und ‑samm­lung rufen wir alle Inter­es­sier­ten und Akti­ven auf, unse­ren News­let­ter zu abon­nie­ren und uns auf Insta­gram, Twit­ter, Face­book oder Lin­ke­dIn zu fol­gen und unse­re Bei­trä­ge zu tei­len. Wir freu­en uns zudem beson­ders über Mit­ar­beit in unse­ren bay­ern­wei­ten Arbeits­grup­pen, die wir groß­teils ehren­amt­lich stemmen.

Bald zei­gen wir auch auf unse­rer Home­page Tes­ti­mo­ni­als, die Men­schen aus der Brei­te der Gesell­schaft zei­gen, die unser Vor­ha­ben unterstützen.

Zudem rufen wir auf, sich mit einer Spen­de zu betei­li­gen. Von ca. 80.000€ benö­tig­ten Spen­den in der ers­ten Pha­se des Zulas­sungs­an­tra­ges konn­ten wir ca. die Hälf­te durch Ver­bän­de und Par­tei­en decken. Wir freu­en uns des­halb über jede, auch noch so klei­ne, Zuwendung.

Jetzt bleibt mir nur noch zu sagen: Tre­ten wir in die Peda­le für das Kli­ma, für unse­re Gesund­heit und vor allem für mehr Rad­Fair­kehr in Bayern!


[1] https://nationaler-radverkehrsplan.de/de/aktuell/nachrichten/fahrrad-hat-gesamtgesellschaftlichen-nutzen-von-30

[2] http://2019.nationaler-radverkehrskongress.de/praesentationen/pdf/C4_Sommer_Carsten_Kosten-des-Stadtradverkehrs.pdf

[3] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/klimaschutz-trotz-corona-pandemie-verkehrssektor-verfehlt-auch-2021-seine-klimaziele/28249088.html

[4] https://www.lfu.bayern.de/umweltdaten/indikatoren/klima_energie/co2_emissionen/index.htm

[5] https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/nachhaltige-mobilitaet/radverkehr#vorteile-des-fahrradfahrens

[6] https://www.stmuv.bayern.de/themen/boden/flaechensparen/verbrauchsbericht.htm